Aus seinem alten Leben auszuscheiden, um in einem fremden Ort, ohne jeglichen gesellschaftlichen Kontaktn wieder Fuß zu fassen, bedeutet eine enorme, tagtäglich wiederkehrende Kraftanstrengung. Das Gefüge alteingesessener Bürger eines gesellschaftlichen Kokons ist eine schwer zu durchdringende Festung. Um diese zu erobern, ist es notwendig, die geschichtlichen und sozialen Hintergründe der Bürger und der Region kennenzulernen. Dieser Notwendigkeit ist wohl jeder Neuankömmling in einer Gesellschaft ausgesetzt, egal, ob hier ein Migrationshintergrund besteht oder in einem kleinen Kreis, wie zum Beispiel in einer neuen Firma, für die man tätig wird. Für einen neuen Arbeitgeber zu arbeiten, sich in einem bereits bestehenden Kollegenkreis einzugliedern, die sozialen Strukturen zu erfassen und zu verinnerlichen sowie sein gesamtes Auftreten so zu gestalten, als wäre man bereits tief verwurzelt in der Gemeinschaft, bedeutet einen zusätzlichen Aufwand, der schwer zu bewältigen ist. Freundeskreise sind nicht existent, alte Strukturen treten in den Hintergrund und müssen das auch, da sie der Entwicklung einer neuen Existenz im Wege stehen würden.
Armin Klein ist ein solcher Zeitgenosse, der einerseits versucht, eine Beziehung zu seiner neuen Umwelt zu bekommen und eventuell einen neuen Freundeskreis aufzubauen, andererseits aber feststellen muss, dass die Verwurzelung mit seiner Umgebung dafür nicht ausreicht. Er flüchtet sich in sein individuelles Selbstbild, aus dem heraus er seine Umwelt wahrnimmt und sie beschreibt, aber keine Möglichkeit findet, sich mit ihr zu verbinden. Aus dieser Situation heraus wird ihm die Möglichkeit eröffnet, sich mit der Geschichte dieses Ortes auseinanderzusetzen und die historischen Begebenheiten mitzuerleben. Nach und nach bekommt Armin ein komplexes Bild von der historischen Entwicklung der Landschaft und der Bewohner. Zudem lernt er sich auch selbst immer besser kennen, seine Schwächen und Stärken kommen zutage, seine Wünsche und Träume offenbaren sich und er begreift, weshalb er sich so schwer damit tut, sich in einer neuen Gemeinschaft zu integrieren. Die Bauwerke bekommen eine Geschichte, die Straßenzüge einen Sinn und der Charakter der Bevölkerung eine eigenständige Biografie. Im Verständnis all dessen entwickelt Armin einen Bezug zu Lilienthal als Ort, der ihm zur neuen Heimat wird.
Armin erlebt in spannend erzählten Episoden die Historie des Ortes Lilienthal und der unmittelbaren Umgebung, lernt aber auch die Region aus heutiger Sicht kennen. Die Stationen der Zeitreisen werden nicht chronologisch abgearbeitet, sondern thematisch in den Werdegang des Romans integriert, so dass sich die historischen Eckdaten der Region zu einer mythologischen Geschichte vereinen.